Knaben
sind häufiger betroffen als Mädchen.
Nach einer Ende 2011 veröffentlichten Studie aus Bayern zeigen bei der Einschulung 13% der
Knaben und nur 8% der Mädchen Symptome von Konzentrationsstörungen und oder motorischer Hyperaktivität. Ab der
vierten Klasse sind 18,8% der Knaben und 9,6% der Mädchen betroffen.
Sind
alle diese Schüler krank? Welche unter ihnen benötigen Unterstützung? Und
welche Therapien und Förderung brauchen sie wirklich? Wie geht unsere Gesellschaft
mit ADHS als Symptom um?
Das Thema Medikament
wird heiss diskutiert:
Wenn
Schüler mit Medikamenten behandelt werden, um ihr Verhalten zu beeinflussen,
wird man in der Gesellschaft hellhörig. Obwohl
ADHS als eine international am besten untersuchte Störung bei Kindern
gilt, und mit weit über 6.000
publizierten Studien auch sehr breit analysiert wird, sind die Diskussion oft
ideologisch und emotional .
ADHS
gilt mittlerweile als reale Krankheit und die Existenz von ADHS ist längst
nicht mehr umstritten. Im Volksmund wird das Problem durch die Bezeichnung
‚Zappelphilipp’ sehr verniedlicht. Durch den Kinderbuchklassiker ist allen
bekannt dass die betroffenen Kinder oft aufgedreht sind, einen fast aggressiven
Bewegungsdrang entwickeln, aufbrausend sind, sehr leicht ausrasten und mit
ihren unvermittelten Wutausbrüchen Eltern, Spielkameraden und Lehrer zur
Weißglut bringen können. Wiederum andere ADHS Kinder können sich nicht
konzentrieren, scheinen nicht zuhören zu können, sind leicht ablenkbar,
vergessen viel. Die Familien sind verzweifelt und die Schule kapituliert vor
der Herausforderung.
Auf
einem Symposium in München suchten
ausgewiesene Experten die Antwort auf wichtige Fragen:
Sind
Eltern und Lehrer im Umgang mit ADHS überfordert?
Wie
können Fehldiagnosen und falsche Behandlungen vermieden werden?
Wie
können Ärzte wirksam behandeln, und wann ist die Unterstützung durch
Psychologen ratsam?
Renommierte
Fachpersonen weisen den häufig erhobenen Vorwurf zurück, dass nicht das Kind
das Problem sei, sondern die Industriegesellschaft, die keine unruhigen Kinder
dulde und dass nur deshalb die Kinder auf eine von Erwachsenen vorgeschriebene
Norm gedrillt werden sollen. Sie betonen: Kinder mit ADHS gibt es nicht nur in
reichen Ländern, sondern auch in Uganda und China, in Südafrika, Puerto Rico
oder Mexiko.
Beginn schon im Kindergarten
Das
größte Problem liegt in der gestörten Konzentrationsfähigkeit mit Beginn schon
im Kindergarten: Das Kind wechselt die Spiele , weiß oft nicht, was es machen
soll und hat dann schlechte Laune. Das Zusammenspiel mit anderen ist oft
gestört, weil das Kind die Spielregeln nicht einhält, es ist ungestüm und wird schon bald von anderen Kindern als
Spielpartner gemieden.
Chancengleichheit für
ADHS Kinder
Fachkreise
unterstreichen jedoch: „Es geht nicht darum, die Jugendlichen brav zu machen,
sondern darum, ihre Chancen zu ihrer persönlichen Entwicklung zu erhalten. Die
Kinder haben ein Recht auf eine Sonderbehandlung, die ihnen eine ungestörte
Entwicklung ermöglicht. Wird ihnen nicht geholfen, droht das Versagen in der
Schule, die Einweisung in eine Sonderschule oder die Entwicklung sozial
unangepassten Verhaltens“.
Dies
bedeutet das Jugendliche mit einem diagnostizierten ADHS bis zu 60 Prozent seltener eine Matura machen als
unbelastete Kinder. Das sei ungerecht, wird von verschiedenen Fachpersonen
bestätigt: „Darf man ihnen den Weg zur Matura verwehren, ihnen also eine
Ausbildung zumuten, die ihren Fähigkeiten nicht angemessen ist, nur weil dies
für alle beteiligten mehr Aufwand bedeutet? Die Verantwortlichen (Eltern und
Lehrer) müssen nicht nur abwägen, ob das beim individuellen Schüler vertretbar ist, sondern die Gesellschaft muss
einen Konsens zu der Frage finden, ob wir es uns ökonomisch leisten können, auf
die optimale Ausbildung Begabter mit Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen
zu verzichten“.
Der Leidensweg dauert
oft Jahre
Jugendliche
mit ADHS sind in allen Aspekten des
täglichen Lebens signifikant benachteiligt. Sie haben Probleme in der Familie
und Schwierigkeiten im sozialen Bereich. In der Schule haben sie mehr Abwesenheiten
als ihre Mitschüler, jeder vierte ADHS-Jugendliche zählt zu den Schlusslichtern
seiner Klasse. Auch die Suche nach
fachlicher Hilfe ist mühevoll: Die Eltern brauchen im Durchschnitt mehrere
Jahre, bis sie eine endgültige Diagnose haben.
Nach
aktuellen Angaben haben insgesamt 4,8%
aller 3- bis 17-Jährigen eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung,
Jungen mit 7,9% wesentlich häufiger als Mädchen (1,8 %). Der große Unterschied
zwischen den Knaben und Mädchen besteht in allen Altersgruppen.
Es
ist nicht leicht, für das einzelne Kind mit einem ADHS die optimale Behandlung
zu finden. Es empfiehlt sich eine "multimodale" Therapie, d.h. eine
Behandlung mit verschiedenen Bausteinen, bei der die Unterstützung für das Kind
und die Eltern im Vordergrund stehen. Die Kinder mit ADHS benötigen eine
konsequente Erziehung und eine verständnisvolle Unterstützung von Eltern und
Lehrern. Hilfreich ist eine wohnortnahe kontinuierliche, auch kurzfristig
zugängliche Unterstützung von Kind und Familie. Dies gewährleistet die
Möglichkeiten der pragmatischen und lösungsorientierten Massnahmen, wie gesunde
Ernährung und zuckerarme Getränke. Im Weiteren kann durch regelmässige Einnahme
von Omega 3 Fettsäuren die Ernährung optimiert werden. Als längerfristige
Verbesserung bietet sich eine Neurofeedbacktherapie an. Damit erreichen Sie
nicht die sofortige Wirkung wie mit Medikamenten, sondern begehen einen
langwierigen Weg mit „Ups“ und „Downs“. Die ADHS-Fachleute sind sich einig,
dass eine ausschließlich medikamentöse Behandlung von ADHS ungenügend ist.
Notwendig sind vielmehr ganzheitliche Lösungsansätze, die je nach Situation des
Kindes die geeigneten Maßnahmen umfassen.
Die Erfolg versprechende medikamentöse Therapie darf aber nicht länger
nur verteufelt werden. Trotz allem
sollten sich Eltern die Option mit Medikamenten offenhalten und nicht
dogmatisch ablehnen. Als letzte Massnahme wenn sie keinen Ausweg mehr sehen
kann dies die Lösung sein oder zumindest die Überbrückung von sehr schwierigen
Zeiten.
Wichtig zu Wissen
Neu
sind die Erkenntnisse zur erblichen Belastung von ADHS in der Familie. Jedes
dritten Kindes mit ADHS weist zumindest ein Elternteil mit entsprechenden
Symptome auf. Unter eineiigen Zwillingen sind wesentlich häufiger beide Kinder
betroffen als bei zweieiigen. Dieser Zusammenhang wird in einer neuen Studie
bei ADHS-Kindern und ihren ebenfalls davon betroffenen Müttern an der
Universität Würzburg erforscht. Eine weitere aktuelle Studie an der Universität
Mainz erforscht den Zusammenhang zwischen Omega-Fettsäuren und ADHS.